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Mit Schwangeren im Wasser

Von Frauke Lippens
(aus: Deutsche Hebammenzeitschrift, 10/1999)

Körperarbeit im Wasser versetzt Klientinnen recht schnell in Zustände von Loslassen, Fließen, Sich Anvertrauen, Regression, Sich Eingebunden fühlen in die Schöpfung...
Schwangere bekommen meist einen besonderen Zugang zu ihrem Kind: wie bei der russischen Puppe in der Puppe fühlt die Frau sich im Wasser geborgen, in sich das Kind vom Fruchtwasser umschlossen. Manche Frauen erinnern sich an ihre eigene Geburt, ihre intrauterine Zeit.
Für Hebammen, die bereits Erfahrungen mit Massagen der unterschiedlichsten Ausrichtung haben, ist die Wasserarbeit ein Geschenk:

Wenn die Haltetechniken und Bewegungsabläufe erst einmal ausreichend eingeübt sind, wird die Wasser-Arbeit zum Wasser-Spaß, zum meditativen Miteinander.

Bei Behandlungen an Land habe ich relativ häufig das Gefühl, gut gearbeitet, aber auch mich angestrengt zu haben. Im Wasser ist dies eine Ausnahme - mal bei recht schweren Menschen mit hoher Anspannung. Meistens aber empfinde ich bei dieser Arbeit das Geben als fast so schön wie das Empfangen. Noch stundenlang hält die Wärme und Ruhe an, ein Gefühl von innerer Reinigung und Gleichmut. Eine wunderbare Möglichkeit für Hebammen, auch mal für sich selbst gut zu sorgen...

Neben den allgemeinen Aspekten von Entspannung und Sich-Verwöhnen-Lassen ist Wasserarbeit speziell geeignet bei:

Indikationen für Wasserarbeit


  • verspannter Hals-, Schulter- und Nackenbereich mit den daraus oft resultierenden Kopfschmerzen

  • Ischiasbeschwerden, Kreuz- und Rückenschmerzen

  • Bewegungseinschränkungen durch Behinderung

  • Erschöpfung

  • emotionale Bedürftigkeit

  • Angst vor dem Unbekannten, dem Abenteuer Geburt
    geplante Wassergeburt

  • Schwierigkeiten mit Kontrollverlust.

Kontraindikationen für Wasserarbeit

  • Infektionskrankheiten, Fieber

  • Schwere Grunderkrankungen, die sich nicht mit warmem Wasser vertragen

  • Blutdruckstörungen, die in warmem Wasser zu starkem Anstieg oder Abfall führen

  • frische Wirbelsäulenoperationen

  • psychische Erkrankungen, Einnahme von Psychopharmaka, Drogenabusus. Im Zweifelsfall die behandelnde Ärztin/Therapeutin zu Rate ziehen.

  • Vorzeitige Wehen sind für die erfahrene Wasser-Hebamme keine generelle Kontraindikation, geht es hier doch meist um Stress, Ängste, Beziehungsprobleme. Allerdings muss die Behandlerin mit starken Emotionen umgehen können und in der Lage sein, Prozesse auch im Gespräch zu begleiten.

  • Auch muss die Schwangere nicht schwimmen können. Sie kann evtl. ihre Angst vor dem Wasser verlieren und einen ganz anderen Zugang zu diesem urweiblichen Element gewinnen.

Organisation

  • Bad: Wassertiefe ca. 115 cm; optimal ist ein Hubboden, mit dem die Wassertiefe individuell nach der Körpergröße der Behandlerin eingestellt werden kann. Die Hebamme muss mit weichen Knien breitbeinig und tief stehen können; dabei sollte das Wasser ihr bis zur Brust reichen. Die Behandlerin braucht einen sicheren Bodenkontakt und gleichzeitig Reichweite für die Schwünge. Eine Wassertiefe von 130 cm ist z.B. für die meisten Frauen zu tief.

  • optimale Wassertemperatur 35 Grad, 33 Grad Untergrenze, dann muss die Behandlung evtl. abgekürzt werden, damit die Frau am Ende nicht friert und dadurch der Entspannungseffekt verloren geht.

  • Geschützter Rahmen, da die Behandlung im Wasser nichts mit Schwangerenschwimmen zu tun hat, sondern sehr intensive Gefühle auslösen kann.. Am besten ein kleines Bad, in dem nur diese Behandlung oder evtl. gleichzeitig eine weitere Session stattfindet. Steht nur ein öffentliches Bad zur Verfügung, so empfiehlt sich der Frauentag. Zumindest sollte erkundet werden, wann das Becken am wenigsten ausgelastet ist.


In einem persönlichen Vorgespräch werden Motivation zur Behandlung, der äußere Rahmen und der grobe Ablauf einer Behandlung besprochen.

Ganz wichtig ist die Erhebung der Anamnese: Probleme im Skelettbereich, Unfälle, OP's, psychiatrische Erkrankungen, sonstige Vorerkrankungen, Medikamente, Drogenkonsum, Gewicht, Probleme in vorangegangenen und der jetzigen Schwangerschaft.

Das Vorgespräch bietet auch beiden Seiten die Chance, zu erspüren, ob Sympathie, Bereitschaft zur körperlichen Nähe da ist. Es sollte keine "Pflichtbehandlung" gegen eigene Impulse geben.

Bezahlung: Bei entsprechender Indikation hat die Hebamme die Möglichkeit, über die Gebührenposition "Hilfeleistung bei Schwangerschaftsbeschwerden" abzurechnen. Das evtl. Eintrittsgeld fürs Bad für Schwangere und Hebamme wird von der Schwangeren übernommen.

Gespräch vor und nach der Behandlung

Jede Wassersitzung wird von einem Gespräch eingerahmt. Typische Fragen: Wie geht es Dir, mit welchen Wünschen kommst Du heute? Gibt es noch Reste vom letzten Mal? Wie ist es Dir nach der letzten Behandlung ergangen? Was war besonders schön? Was eher unangenehm?

Nach der Stunde gibt die Behandlerin der Frau die Gelegenheit, ihre Erfahrungen auszudrücken, Gespürtes und Gedachtes in Worte zu fassen. Relativ häufig fragen Frauen nach Bewertungen ihres Spannungs-/Entspannungszustandes. Hier äußert sich die Hebamme eher zurückhaltend und unterstützt die Selbstwahrnehmung der Schwangeren, die meist recht differenziert Spannung in verschiedenen Körperregionen und auch deren Veränderung während der Behandlung wahrnehmen kann.

Die Frau wird erinnert, in Ruhe die Behandlung ausklingen zu lassen und viel zu trinken. Zum Erden und gegen Kreislauf- und Venenprobleme helfen kaltes Wasser als Kneipp-Bad. Die Behandelte darf nicht sofort am Straßenverkehr teilnehmen.
Die Frau weiß, wie sie die Hebamme in den nächsten Tagen für Fragen oder Mitteilungen erreichen kann.

Wirkungen
  • Verwöhntwerden

  • Sich im schwangeren Körper schön, beweglich fühlen. Für eine Weile der Schwere, der Schwerkraft entkommen. Stärkung des
    Selbstvertrauens.

  • Für eine Weile Abstand von Alltagssorgen

  • Verbundenheit mit dem Kind: "So muss sich das für das Baby im Fruchtwasser anfühlen." "Mein Kind spielt mit!"
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  • Erinnerungen, Gefühle, Sehnsüchte aus der eigenen Kleinkindzeit werden aktiviert.

  • Linderung körperlicher Beschwerden: Rückenbeschwerden werden deutlich besser; nach der ersten Behandlung hält die Wirkung meist 1-2 Tage an, nach zweiter Behandlung 3-4 Tage, dann knapp eine Woche bis zur nächsten Stunde.

                
Oft sind die Beschwerden auch nach 2-3 Sitzungen völlig verschwunden. Von einigen Orthopäden werden mir inzwischen Schwangere überwiesen, die sie bis dahin ohne großen Erfolg behandelten.

Ödeme reduzieren sich, zumindest kurzzeitig.

Positive, geburtsvorbereitende Aspekte

  • Beweglichkeit in den Hüftgelenken, Öffnen der Oberschenkel

  • Entspannung des Beckenbodens (z.B. Pichlersches "Äpfelschütteln")

  • Geburtsausgangsposition im schützenden Wasser, aber im öffentlichen Raum erfahren

  • das Loslassen, "sich schutzlos Anvertrauen" an eine Hebamme als schöne Erfahrung erleben.

Neben-Wirkungen

Eine Warmwasserbehandlung kann auf den verschiedensten Ebenen wirken. Die eine Frau erlebt es als eine körperlich wohltuende Entspannung und geht ruhig und zufrieden aus dem Bad.
Eine andere Frau bekommt Kontakt zu ihrem Wunsch, in Sicherheit und Geborgenheit ohne Hintergedanken gehalten zu werden. Je nach ihren Erfahrungen in Kindheit oder jetziger Partnerschaft (oder auch mit ihrem Alleinsein) kann dieses Gefühl Energien freisetzen, sich selbst wichtig zu nehmen und sich für die eigenen Bedürfnisse stark zu machen; es kann aber auch eine Woge von hilfloser Traurigkeit hoch holen. "So bin ich noch nie gehalten worden!"
Viele Frauen haben Schwierigkeiten, im Wasser die Kontrolle abzugeben. Sie führen die Bewegungen aktiv aus, "arbeiten mit". Andere versteifen bestimmte Körpersegmente, so dass manche Bewegungsabläufe nur schwer durchzuführen sind und der Focus auf sanftes Lösen gelegt werden muss. Ein anderes Anzeichen hierfür kann auftretender Schwindel, manchmal sogar Übelkeit und Erbrechen sein.
Themen, die oft aus "Sachzwängen" weggedrückt werden, können sich massiv melden: z.B. Stress mit der eigenen Mutter, emotionale Unterversorgung durch den Partner. Dabei habe ich den Eindruck gewonnen, dass Schwangere sehr wohl unbewusst spüren, wie viel sie ihrer Behandlerin "zumuten" können und entsprechend regulieren, wie tief sie sich einlassen.

Achtung: dieser gesunde Selbstschutz funktioniert eventuell nicht  bei Menschen, die Probleme mit ihren Grenzen, mit ihrem Bodenkontakt haben. Deshalb behandeln wir als Hebammen keine Frauen mit psychiatrischen Erkrankungen oder unter entsprechenden Medikation/Drogenkonsum.

Diese Beispiele zeigen, dass eine sehr zugewandte, einfühlsame Behandlung nötig ist. Die im Wasser arbeitende Hebamme braucht (Selbst-)Erfahrung und Fortbildung; z.B. in Körperwahrnehmung, Energiearbeit, Gesprächsführung und Typenlehre. Supervision und die Zusammenarbeit mit einer Therapeutin können wichtige Hilfen sein.

Eine rein erfreuliche Nebenwirkung der Wasserarbeit ist der Wunsch nach Wassergeburt.

Ergänzungsmöglichkeiten

Nach dem Motto "Hilfe zur Selbsthilfe" können dem Partner oder einer Freundin einfache Grundbewegungen gezeigt werden. Die Frauen freuen sich, mit Hilfe des Wassers ihre Partner tragen zu können.

Auch ein Schnuppertag für Paare kann ein Geschenk in der Schwangerschaft sein und eine neue Nähe in den Beziehungsalltag bringen.
IAKA-Institut für Aquatische Körperarbeit
Huber-Steinböck OG

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